Stadtteil Gänsheide

Kurze Geschichte der Gänsheide
von Ulrich Gohl

Die ersten Besiedelungsspuren auf der Gänsheide gehen in die Römerzeit zurück. Im Bereich der Geroksruhe fanden Wissenschaftler 1881 unter anderem verschiedene Gebäudefundamente, Reste eines Diana-Reliefs und Münzen des 2. und 3. Jh. n. Chr. Es gilt als wahrscheinlich, dass sich hier ein antiker Steinbruch befand, womöglich verbunden mit einer Steinmetzwerkstätte.
Als König Rudolf von Habsburg 1286 Stuttgart belagerte, schlug er hier oben sein Kriegslager, seine Wagenburg (!) auf.
Der Name Gänsheide taucht erstmals 1530 auf. Der Flurnamenforscher Helmut Dölker geht davon aus, dass ein Teil des Heidelandes als Weide für Gänse gedient habe und die Bezeichnung sich dann auf den gesamten Höhenzug ausgedehnt habe.

Diana von der Geroksruhe (Vorlage: Gohl)

Diana von der Geroksruhe (Vorlage: Gohl)

Neuzeitliche Besiedelung

Das erste neuzeitliche Gebäude war die 1702 erbaute Hochwacht, das Kanonenhäuschen (1863 grundlegend verändert). Im Brandfalle wurden zwei Lärmkanonen abgefeuert, um die Bewohner der nahen Orte zu alarmieren. Zu festlichen Anlässen schoss der Feldwächter von hier auch Salut. 1764 wurde das Gebiet aufgeteilt und als Gartenland vor allem an Stuttgarter und Gablenberger Bürger verkauft.
Das erste Wohnhaus, das „Heidehaus“, errichtete in den 1840er-Jahren der Schriftsteller Friedrich Wilhelm Hackländer. Es gelangte übrigens später in den Besitz des Industriellen Robert Bosch, der es 1910 abreißen und an der markanten Stelle seine Villa bauen ließ.
1864 entstand die Villa Wagenburg (Wagenburgstr. 5), 1868 das „Gasthaus zum Haidehof“ (Heidehofstr. 30). 1874-93 kamen mehr als zwei Dutzend weitere Villen und Landhäuser dazu, außerdem das Gasthaus „Zum Bubenbad“. Die „Gänsheidevereinigung“ vertrat ab 1901 die Interessen der Bewohner und setzte durch, dass die Gegend amtlich als „Villenquartier“ festgelegt wurde. Sie ließ auch die Sport- und Spielplätze bei der Geroksruhe anlegen.

Gänsheide datiert 1909, rechts die Gerokstraße, von links mündet die (obere) Wagenburgstraße (Slg. Unglaub)

Gänsheide datiert 1909, rechts die Gerokstraße, von links mündet die (obere) Wagenburgstraße (Slg. Unglaub)

1904 wurde die Gerokstraße gebaut, ab 1910 fuhr die Straßenbahn bis zum Bubenbad. 1910-13 entstand in der Heinestraße (heute Richard-Wagner-Str.) die Villa Reitzenstein, seit 1922 Regierungssitz. Der erste Gottesdienst hier oben fand im Herbst 1902 in umgebauten Privaträumen statt; 1914 weihte die Gemeinde ihren Betsaal in der Gänsheidestraße 33 ein (1943 zerstört).  1955 wurde die Christuskirsche geweiht; die Pläne stammten von Sylvester Laible, die Innenausstattung von Ruth Speidel, die Orgel von Walcker.
Schon um 1930 war die Besiedelung der Gänsheide im Prinzip abgeschlossen.
1909-14 gab es eine Höhere Töchterschule. 1908 wurde die Reformschule Heidehof gegründet, die sich zum heutigen Heidehofgymnasium weiterentwickelte. In der 1914 vollendeten Wagenburgschule wurde ab 1918 Unterricht gehalten (heute Wagenburggymnasium).
Von Kriegsschäden blieb das Gänsheidegebiet weitgehend verschont. Gefahren für die repräsentative Wohngegend ergeben sich heute aus der zunehmenden wirtschaftlichen Nutzung der einst reinen Wohngebäude. Zudem drängen manche Investoren darauf, bestehende Gebäude abzureißen und den so wertvollen Grund massiver zu bebauen. Wichtige Institutionen haben sich in dem Quartier angesiedelt, etwa der evangelische Oberkirchenrat, der im Moment (2019) einen großen Neubau plant, die Holtzbrinck-Verlagsgruppe, die Bosch-Stiftung oder die Kunststiftung Baden-Württemberg.